Selbstbestimmungsgesetz in Spanien Umfassendes Gesetzpaket will Rechte für LGBTI* stärken
Die spanische Regierung hat gestern grünes Licht für das neue Selbstbestimmungsgesetz gegeben, dass es künftig Kindern ab 12 Jahren erlauben wird, ohne medizinische oder psychologische Gutachten ihr Geschlecht frei wählen und bestimmen zu können. Am Vorabend des heutigen Internationalen Tag des Pride unterzeichnete Irene Montero, Ministerin für Gleichstellung, den Gesetzentwurf.
Ziel sei es, trans-Personen zu “entpathologisieren“, so eine Sprecherin der spanischen Regierung, die zudem betonte, wie wichtig das kommende Gesetz sei. Ministerin Montero hatte bereits im Vorfeld erklärt, dass das neue Gesetz Spanien im Kampf um die Rechte für LGBTI*-Menschen europaweit an die Spitze befördern werde und bekräftigte gestern erneut, dass es sich um einen historischen Tag handeln würde. Ministerpräsident Pedro Sánchez, der zusammen mit einem Bündnis von Sozialdemokraten und Linken das Gesetz umsetzen kann, begrüßte den heutigen Schritt ebenso. Die Sprecherin der Exekutive, Isabel Rodríguez, erklärte: "Es ist ein sehr wichtiges Gesetz, das die Aufgabe und die Arbeit fortsetzt, die dieses Land 2005 mit dem Gesetz von Präsident Zapatero zur gleichgeschlechtlichen Ehe begonnen hat."
Ähnlich wie bisher in Deutschland auch mussten trans-Personen in Spanien für eine Geschlechtsanpassung ein medizinisches Gutachten vorlegen und nachweisen, dass sie seit zwei Jahren bereits Geschlechtshormone einnehmen. Diese Regelungen entfallen nun ganz. Das neue Gesetz sieht vor, dass Personen, die ihren Namen und ihr Geschlecht ändern wollen, ein doppeltes Verfahren durchlaufen müssen. Zunächst müssen sie einen schriftlichen Antrag persönlich vor Ort beim Standesamt einreichen, in dem sie ihre Ablehnung des bisherigen Geschlechts und den Änderungswunsch zum Ausdruck bringen. Im Zuge dessen erhalten die Antragsteller dann ausführliche Informationen über die rechtlichen Folgen. Im zweiten Schritt, der innerhalb von drei Monaten erfolgen muss, bestätigt der Antragsteller seinen Antrag erneut und bekräftigt damit das Festhalten an seiner Entscheidung, sein Geschlecht ändern zu wollen. Innerhalb eines Monats nach diesem zweiten persönlichen Erscheinen erlässt das Standesamt dann die Entscheidung zur Geschlechtsanpassung. Kinder ab 12 Jahren dürfen künftig mit Einwilligung der Eltern eine Personenstandsänderung beantragen, ab dem 16. Lebensjahr können Jugendliche eigenverantwortlich darüber entscheiden. In allen Fällen sind medizinische oder psychologische Gutachten nicht mehr nötig.
Zeitgleich präsentierte Ministerin Montero einen neuen Gesetzentwurf, die lesbischen, bisexuellen und/oder alleinstehenden Frauen den Zugang zu menschlichen Fortpflanzungstechniken deutlich erleichtern wird. Zudem will die Ministerin binnen der nächsten sechs Monate diese neue Richtlinie auch auf trans-Menschen mit Schwangerschaftsfähigkeit ausweiten. Ebenso werden Konversionstherapien verboten, die darauf abzielen, die sexuelle Identität oder die Geschlechtsidentität von Menschen verändern zu wollen, unabhängig davon, ob diese dafür ihr Einverständnis gegeben haben. Weitere Aspekte des Gesetzentwurfes sind eine bessere Gesundheitsversorgung von trans- und LGBTI*-Personen sowie eine Ergänzung des Lehrplans an den Schulen in puncto LGBTI*. Der Gesetzestext, der nun vom Kongress verabschiedet werden soll, sieht unter anderem vor, dass die Achtung der sexuellen, geschlechtlichen und familiären Vielfalt als Ziel in die Lehrpläne aller Schulstufen aufgenommen wird und dass alle Lehrer in diesem Bereich geschult werden müssen.